Möchtest du wissen, wie es um eure Pferd-Mensch-Beziehung steht? Warum Freiarbeit sich positiv auf das Vertrauen auswirken kann? Wie ihr am besten anfangt?
Ich weiß noch, wie ich als kleines Mädchen in meiner rosaroten Ponywelt lebte und bei Apassionata im Publikum saß. Besonders beeindruckt hat mich dabei eine Frau auf ihrem weißen Pferd. Sie hatte nichts in ihren Händen außer der langen, stahlendweißen Mähne des Pferdes! Die beiden wirkten wie verschmolzen! So als ob da keine 20.000 Besucher wären, die alle nur auf diese sechs Beine starren. Mein Gedanke war nicht etwa „das kann ich auch“ oder „das werde ich irgendwann mal können“, sondern „so ein braves Pferd“ und „das muss Jahre gedauert haben!“
Jetzt, viele Jahre später weiß ich, dass eigentlich jedes Mensch-Tier Gespann genau das schaffen kann. Und vor allem auch unbedingt versuchen sollte. Denn nirgendwo sonst zeigt sich die Beziehung zwischen dir und deinem Pferd besser, als bei der Freiarbeit. Nur dann kann es selbst entscheiden, ob es bei dir sein, mit dir arbeiten oder dir einen Gefallen tun möchte.
Probiere Freiarbeit mit dem Pferd einfach einmal aus
Geh auf den Reitplatz oder in die Halle, mache dein Pferd komplett los von Trense und Co. und schau, was passiert. Bleibt es bei dir? Läuft es dir hinterher? Bleibt es stehen, wenn du stehen bleibst?
Oder wendet sich dein Pferd ab? Falls das passieren sollte: Sei nicht enttäuscht oder gar sauer. Nimm stattdessen dieses Zeichen von deinem Pferd ernst und sieh es als Chance für euch zwei. Versuche etwas zu ändern – denn wir wollen doch alle, dass unser Pferd gerne mit uns arbeitet, oder?
Freiarbeit ist eine tolle Möglichkeit, um dein Pferd davon zu überzeugen, dass du ihm vertraust, Rücksicht nimmst, ihm zuhörst und zeigst, dass auch du an dir arbeiten willst. Schließlich bleibt dir auch gar nichts anderes übrig. Du bekommst von deinem treuen Gefährten nämlich immer sofort ein Feedback zu deinem Verhalten. Wenn du z.B. zu viel Druck aufwendest oder deine Körpersprache falsch einsetzt, wird er oder sie das Weite suchen. Genauso wenn du unsicher bist oder unklare Anweisungen gibst.
Warum Freiarbeit nicht nur für fortgeschrittene Pferde eine tolle Sache ist
Mir und meinem Pony hat die Freiarbeit enorm viel gebracht, denn wir hatten viele Probleme. Es fing schon bei so einfachen Dingen wie Führen an Halfter und Strick an. Ich konnte es ihr nicht verübeln, schließlich wusste sie es nicht besser. Mittlerweile klappt das Führen natürlich einwandfrei, aber ich habe mich trotzdem schon damals für die Freiarbeit entschieden, denn unser gegenseitiges Vertrauen hatte enorm gelitten.
Zwei Tipps für den Start mit der Freiarbeit
Der erste Schritt bei der Freiarbeit: Du musst wissen, wie du dein Pferd dazu einlädst, dir zu folgen und mit dir zu arbeiten.
Mein Tipp: Fange nicht gleich auf dem großen Reitplatz damit an. Glaube mir – dort wird dir schnell die Puste ausgehen. Geh stattdessen mit deinem Pferd in den Roundpen oder teile dir ein Stück von der Halle bzw. vom Reitplatz ab. Befreie deinen Vierbeiner dann vom Halfter, damit du doch nicht wieder in Versuchung kommst, das Pferd mal eben festzuhalten.
Jetzt gehst du einfach los. Am besten ein wenig diagonal weg von der Pferdenase. Jetzt schlägt die Stunde der Wahrheit: Falls dir dein Pferd nicht folgt gibt es dafür zwei Ursachen:
1. Der „Parker“: Dein Pferd steht einfach!
Du kannst dein Pferd nur dazu einladen dir zu folgen wenn es sich vorwärts bewegt. Richtung und Tempo sind dabei erstmal zweitrangig. Aber manchmal „parken“ Pferde einfach und bewegen sich erstmal gar nicht. Eine gute Methode, um dein Pferd vorwärts zu bewegen ist Druck auf die Hinterhand zu geben bzw. auf die Stelle, wo normalerweise dein Schenkel liegen würde. Also gehst du ruhig aber bestimmt und im relativ großen Bogen genau auf diese Stelle zu.
Im Idealfall reicht deine Energie, die du in deiner Körpermitte erzeugst dafür aus, dass dein Pferd nach vorne „weicht“. Falls dies noch nicht ausreicht, baue mehr Druck auf z.B. mit:
- einem Handzeichen
- deiner Stimme
- dem Stick oder der Gerte auf die Stelle zeigen wo sonst dein Schenkel liegt
- Berührungen/anticken
Wichtig bei der Freiarbeit ist natürlich auch die Frage „Wer bewegt wen?“. Dein Pferd wird dir nur folgen wollen, wenn du vertrauenswürdig bist und zu deinem Wort stehst. Also, bleib dran wenn dein Pferd erstmal „parkt“. Sobald es sich vorwärts bewegt, nimm den Druck weg und lade es zu dir ein.
So lädst du dein Pferd zu dir ein
Zuerst musst du seinen Blick und seine Aufmerksamkeit bekommen. Gehe dafür rückwärts in die Laufbahn deines Pferdes. Wichtig: dein Bauch sollte dabei nicht zum Pferd zeigen, denn sonst übst du Druck aus und dein Pferd wird vermutlich die Richtung wechseln. Gehe also diagonal in Richtung des Hufschlags, dein Bauch sollte dabei in die Zirkelmitte zeigen. Sobald dein Pferd dich wahrgenommen hat, kannst du dich umdrehen und ein wenig weitergehen. Idealerweise folgt es dir jetzt.
Falls es beim ersten Mal nicht klappt wiederhole das so oft, bis dein vierbeiniger Gefährte ein paar Schritte in deine Richtung macht. Sobald das passiert, halte an, stelle dich entspannt hin und gib deinem Pferd eine Pause, damit es nachdenken und verstehen kann. Dreh dich evtl. nicht einmal zu deinem Pferd um, denn das könnte für sensiblere Kandidaten schon wieder zu viel Energie sein.
Wenn du einige Sekunden oder sogar Minuten gewartet hast und dein Pferd vielleicht sogar ganz entspannt abgekaut hat, kannst du wieder leicht schräg nach vorne losgehen. Folgt dir dein Pferd? Super! Pause machen und loben. Wenn nicht, dann fange wieder von vorne an.
Noch einmal zusammengefasst:
- gehe solange rückwärts in die Laufbahn deines Pferdes, bis es dich wahrnimmt
- drehe dich um (achte dabei auf deinen Bauch. Wenn dein Pferd links rum läuft, dann drehe dich nach rechts weg. Du wirst erstaunt sein, wie sensibel viele Pferde alleine auf die Körperenergie reagieren.) und gehe ein paar Schritte. Schaue dabei nicht über die Schulter, sondern geh ganz normal als würdest du einen Spaziergang machen. Du wirst schon früh genug merken oder hören, ob dir dein Pferd folgt.
- sollte das einigermaßen klappen und dein Pferd hat verstanden haben, was du von ihm möchtest, kannst du zum nächsten Schritt gehen.
2. Der „Flitzer“: dein Pferd rennt panisch umher
Wenn dein Pferd bei der Freiarbeit wild durch die Gegend rennt gehört es zu den sogenannten Flitzern.
Meine Stute gehörte zuhause zu der Sorte „Parker“. Warum bewegen, wenn man es auch sein lassen kann? Und wenn wir unterwegs waren, z.B. bei einem Wochenendkurs für die Freiarbeit, wurde Sie direkt zum Flitzer. In einer fremden Umgebung zu sein, war das Schlimmste für sie. Dafür braucht man dann viel Ausdauer, Geduld, Ruhe und Klarheit.
Bei einem Flitzer gehst du eigentlich genauso vor wie bei einem Parker – nur, ohne dein Pferd erst in Bewegung setzten zu müssen 😉
Stelle dich drauf ein, dass auch du dich dann evtl. ein wenig zügiger von A nach B bewegen musst. Aber du solltest keinesfalls hektisch werden. Vermittle deinem Pferd Ruhe und reagiere trotzdem zügig auf seine Reaktionen. Sobald dir dein Pferd auch nur ein paar Sekunden seine Aufmerksamkeit schenkt, lade es sofort ein, sich dir anzuschließen. Auch wenn es 20 Minuten oder länger dauert und du diese Übung zum hundertsten Mal machen musst.
Bei einem unruhigen oder abgelenkten Pferd solltest du keine zu lange Pause machen. Stattdessen gehe lieber los in die Richtung, in die dein Pferd gerade nicht hinschaut. So lenkst du den Fokus wirklich auf DICH.
Sobald du dich umdrehst und deinen Weg einschlagen möchtest, achte darauf, dass du dein Pferd gedanklich auch mitnimmst und nicht einfach stur drauf los marschierst.
Diese Übung kannst du erst einmal ausweiten, bis dein Pferd dir auf Schritt und Tritt folgt. Egal ob rechts, links, geradeaus oder beim Anhalten: Dein Pferd folgt dir ab jetzt.
Welche Erfahrungen hast du mit der Freiarbeit gemacht und ist dein Pferd eher ein „Parker“ oder ein „Flitzer“?
Blog-Beitrag von Janja Schleier