Gelassenheitstraining – Teil 3

Pferd

Strategien für ein erfolgreiches Gelassenheitstraining.

Parcours aufbauen, Pferd durchführen, sich freuen. So reibungslos klappt Gelassenheitstraining in den seltensten Fällen. Um Hindernisse für unsere Pferde zu entgruseln, ist es hilfreich, ein paar Strategien mitzubringen – und natürlich eine gut passende Ausrüstung mit Halfter und Bodenarbeits-Seil. Heute geht es um Kniffe, die deinem Pferd helfen, mutiger und entspannter mit Planen, Bällen und Co. zu werden.

Hinschicken statt hinführen

Ein Tipp beim Gelassenheitstraining besteht darin, das Pferd nicht durch einen Parcours oder zu Gruselobjekten zu führen, sondern es dorthin zu schicken. Dafür sendest du dein Pferd auf den Kreisbogen, als würdest du es longieren und beginnst dann, die Hindernisse anzusteuern, so dass das Pferd mindestens einen Abstand von zwei oder drei Metern zu dir hat. 

Der Sinn dahinter: Wenn du dein Pferd führst, kann es sich auf dich verlassen und läuft dir vielleicht einfach nur hinterher. Wenn du es schickst, muss es sich eigenständig mit den gruseligen Objekten beschäftigen, kann sie nicht ausblenden und sich auch nicht hinter dir verstecken. Damit erfährst du, wie es deinem Pferd emotional tatsächlich geht. Und du hilfst ihm, sein Selbstvertrauen zu stärken, wenn es begreift, dass es gruselige Situationen auch eigenständig lösen kann.

Schauen und kauen

Gib deinem Pferd genug Zeit, sich gruselige Objekte einfach anzuschauen und sie zu untersuchen. Gerade, wenn es vor der Plane steht, die Vorderfüße in den Boden stemmt und im Genick verkantet, um die Plane aus dem rechten Auge ansehen zu können: Dein Pferd bestimmt das Tempo. Dränge es nicht, weiterzugehen und lass es sich in Ruhe mit dem Hindernis auseinandersetzen. Viele Pferde überwinden nach eingehender Betrachtung ihre Skepsis und unternehmen von sich aus den nächsten Schritt: noch näher an die Plane treten, die Plane anpusten oder vielleicht sogar eine Ecke mit einem Huf antesten. Genau diese Eigenständigkeit und Neugierde willst du mit dem Gelassenheitstraining erreichen.

Wenn du deinem Pferd nach so viel Mut eine Pause gönnst, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit kauen, und das gerade Erlebte verarbeiten. Ein voller Erfolg für Mensch und Tier.

Nicht erschrecken!

Gelassenheitstraining heißt zwar auch Schreck- oder Antischrecktraining: Nichtdestotrotz bedeutet das nicht, dass du dein Pferd dabei willkürlich erschrecken sollst. Schließlich willst du, dass es gute Erfahrungen mit Objekten und Szenarien macht, die es eigentlich ängstigen. Wie erschreckst du dein Pferd also nicht? Indem du das Training Schritt für Schritt aufbaust und nicht gleich mit der Tür ins Haus fällst.

Ein Beispiel, wie man es nicht macht: Das Pferd wird durch eine Gasse geführt und als Extra-Grusel-Element von zwei Seiten mit Luftballons beworfen. Das kann auch das souveränste Pferd aus der Fassung bringen. Wenn ein Luftballon-Regen in der Gasse das Ziel ist, bereite dein Pferd kleinschrittig auf das Szenario vor: Zeige ihm erst die Gasse – und zwar so ausführlich, dass es ohne Bedenken und entspannt durch gehen und auch darin anhalten kann. Es reicht nicht, wenn es zwar gehorcht, sich dabei aber nicht gut fühlt. Danach zeigst du ihm außerhalb der Gasse die Luftballons – die Berührung damit, ihre Bewegung und die Bewegungsrichtung auf das Pferd zu, von oben und von der Seite. Erst danach kombinierst du Gasse und Luftballons.

Annäherung und Rückzug

Vielleicht kennst du das Szenario beim Verladen. Das Pferd will nicht auf den Hänger gehen, lässt sich aber überzeugen, zumindest mit den Vorderbeinen auf die Rampe zu steigen. Und statt zu loben und ihm eine Pause zu gönnen – und damit zu zeigen, dass es genau richtig reagiert hat -, will der Mensch noch mehr, denn: Das Pferd ist ja fast drin, es fehlt ja nicht mehr viel, da kann es den letzten Meter doch auch noch gleich gehen. Dieser Dauerdruck von hinten führt in der Regel zu Gegendruck: Das Pferd hält es nicht mehr aus, schießt rückwärts oder reißt sich los. Um das zu vermeiden, hilft eine Strategie, die aus Annäherung und Rückzug besteht. Du schickst das Pferd zu dem gruseligen Objekt und erlaubst ihm, wieder davon wegzugehen. Immer wieder.

Durch die Anzahl der Wiederholungen lernt das Pferd, dass es nicht gezwungen wird und dass es auf Abstand gehen kann, wenn es muss. Das stärkt einerseits sein Vertrauen und andererseits seine Neugier.

Rückwärts schicken: Abstand zum gruseligen Ding herstellen

Du schickst dein Pferd in Richtung eines Balls, es wird immer langsamer und bleibt ein paar Meter davorstehen, beäugt den Ball und schnorchelt. Wenn es partout nicht mehr weiter nach vorn gehen will, dann frage nach rückwärts. Gerade, wenn du die Angst an einem bestimmten Objekt festmachen kannst, ist das Rückwärts gehen weg von diesem Objekt eine smarte Strategie. Zum einen stellst du so wieder etwas mehr Abstand zwischen Gruselfaktor und Pferd her, was viele Pferde bereits entspannt. Außerdem ist Rückwärtsgehen ein guter mentaler Switch, um das Pferd aus seinen am Objekt festhaltenden Fokus auf andere Gedanken zu bringen und wieder ansprechbar zu machen. So beweist du auch deine Empathie, weil du eben kein Vorwärts verlangst, wenn das Pferd große Probleme hat, sondern auf seine Gefühle Rücksicht nimmst.

Pause

Gelassenheitstraining beinhaltet diverse Reize, die für ein Pferd eine echte Herausforderung sind (das ist ja auch der Sinn der Übung). Deswegen solltest du Pausen nicht vergessen. Belohne dein Pferd abseits des Parcours oder in ruhigen Ecken mit Ruhe und Nichtstun. Dauerfeuer und kontinuierliche Reize stressen das Pferd, es braucht Momente, um wieder herunter zu kommen – und die nicht nur, wenn es eine Aufgabe gerade besonders gut gelöst hat. Wenn du merkst, dass dein Pferd überfordert ist, wird es allerhöchste Zeit den Stress mit einer Pause zu verringern.


Blog-Beitrag von Nadja Müller

 
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