Ohne einen gesunden und fitten Pferderücken, wird dein Vierbeiner dich langfristig beim Reiten nicht tragen können ohne einen Schaden zu nehmen. Welche Faktoren können dazu beitragen, dass der Pferderücken geschwächt wird und es zu Problemen kommt? Und welche Übungen sind hilfreich, damit der Rücken stark und gesund bleibt oder wieder wird?
Etwas Biomechanik
Damit dein Pferd dich gut tragen kann, muss es die Oberlinie aufwölben können. Hierfür benötigt es vor allem gut trainierte Bauchmuskeln, die verhindern, dass der Rücken absinkt und verspannt. Einem jungen, untrainierten Pferd fehlen zu Beginn zwar noch ausgeprägte Bauchmuskeln, trotzdem ist es in der Lage eine:n Reiter:in zu tragen. Grund dafür ist das ventrale Längsband, was sich unter der Wirbelsäule von einem Dornfortsatz zum nächsten spannt. Dieses Band wird in der Bewegung abwechselnd gedehnt, beim Abfußen wird der Rücken gewölbt und beim Auffußen hängt er durch. Entwickelt das Pferd mit der Zeit mehr Bauchmuskeln wird das ventrale Längsband beim Tragen unterstützt. Hier arbeitet der gerade Bauchmuskel mit den seitlichen, schrägen Bauchmuskeln zusammen.
Wichtig:
Der gerade Bauchmuskel zieht das Schambein nach vorne, dadurch wird das Becken abgekippt, das Pferd tritt mehr unter und beugt die Hanken. Mit der Zeit entsteht so auch mehr Schub- und Tragkraft!
Weitere Störfaktoren
Nicht jedes Pferd ist von Natur aus mit einem optimalen Exterieur ausgestattet und viele Vierbeiner haben einige körperliche Baustellen. Das kann sich auch auf die Stabilität des Rückens auswirken. So haben Pferde im Rechteckformat häufig einen zu langen, weichen Rücken, der schnell Schwierigkeiten verursachen kann. Auch Blockaden und Verspannungen in anderen Bereichen (z.B. in der Halswirbelsäule oder im Kreuzdarmbein) können sich negativ auf den Rücken auswirken. In diesem Fall sollte unbedingt ein:e Pferdeosteopath:in hinzugezogen werden, um dem Pferd zu helfen. Es darf niemals über Schmerzen einfach hinweg trainiert werden.
Leider gibt es auch krankhafte Veränderungen, wie Arthrose oder Kissing Spines in der Wirbelsäule, die bei einigen Pferden den Einsatz als Reitpferd schnell beenden können. Nicht nur alte Pferde können mit der Zeit eine Tragkrafterschöpfung entwickeln, falsches Training oder Überlastung schädigt auch schon jüngere Pferde und beeinflusst den Rücken. Ein weiteres häufig auftretendes Problem ist außerdem ein nicht passender Sattel, hier sollte unbedingt Abhilfe geschaffen werden.
Achtung:
Auch ein:e Reiter:in, die steif, übergewichtig, im Becken blockiert oder sehr schief ist, kann für den Pferderücken zu einem echten Problem werden. Hier hilft es nicht, sich diese Problematik schön zu reden, sondern man sollte aktiv werden und etwas verändern, um dem Pferd dauerhaft nicht zu schaden!
Immer mit der Ruhe
Es ist durchaus möglich, Muskeln in wenigen Wochen an eine höhere Belastung zu gewöhnen. Jedoch brauchen andere Strukturen im Pferdekörper deutlich mehr Zeit. Sehnen und Bänder benötigen oft Monate oder Jahre, um sich anzupassen. Trainiert man den Vierbeiner zu schnell auf, ziehen die starken Muskeln an Sehnen, Bändern und Gelenken. Wird von Jungpferden, die sich noch im Wachstum befinden, zu schnell zu viel Leistung gefordert, kann es zu gesundheitlichen Schäden führen.
Tipp:
Gib deinem Pferd Zeit, denn oberstes Ziel sollte immer sein, es möglichst lange gesund zu erhalten!
Grundfitness und Muskelkater
Für eine gute Basis reicht es in der Regel schon aus, dein Pferd ca. drei Mal die Woche intensiv zu trainieren. Das ist jedoch von Pferd zu Pferd ganz unterschiedlich und die Haltungsform und Fütterung trägt dabei eine entscheidende Rolle. Nach jedem anstrengenden Training kann schnell Muskelkater entstehen. Sicherlich weißt du von dir selbst, wie unangenehm das sein kann. Beobachte deinen Vierbeiner am nächsten Tag ganz genau, ob er sich steifer und unwilliger bewegt oder ob er druckempfindlich im Rückenbereich ist. In diesem Fall solltest du ihm eine Pause und Ruhe gönnen oder nur leicht, und möglichst ohne Reitergewicht, bewegen.
Tipp:
Beiße dich nicht an starren Trainingsplänen fest, sondern versuche deinem Pferd viel Abwechslung zu bieten. Manchmal tut es auch gut, einfach nur Zeit zu zweit zu verbringen und die Seele baumeln zu lassen!
Ohne Reitergewicht
Hat dein Pferd einen schwachen Rücken und ihm fehlt die nötige Muskulatur, um dich gut tragen zu können, solltest du es zunächst ohne Reitergewicht vom Boden aus trainieren. Hier gibt es so viele verschiedene Möglichkeiten mit deinem Pferd zu arbeiten: von klassischer Arbeit an der Hand, Arbeit am Langen Zügel, an der Longe, bis hin zur Doppellongenarbeit. Außerdem hast du so die Chance, dein Pferd immer im Ganzen betrachten zu können und kannst gezielter bei Schwierigkeiten einwirken.
Tipp:
Viele Lektionen und Übungen lassen sich vom Boden aus bestens vorbereiten, so dass du es unter dem Sattel viel leichter hast!
Dehnen lassen
Sich länger in einer bestimmten Haltung zu bewegen und spezielle Übungen auszuführen, kann unglaublich anstrengend sein. Vielleicht hast du auch beim Sport schon mal die Erfahrung gemacht, dass deine Muskeln vor Erschöpfung angefangen haben zu zittern und du weißt, wie gut es tut, sich dann zu dehnen und zu lockern. Ganz ähnlich geht es unseren Vierbeinern auch im Training, wenn wir zu lange von ihnen fordern, sich in einer bestimmten Haltung zu bewegen. Eine gesunde Mischung aus An- und Entspannung der Muskeln hilft, dass der Pferderücken sich nicht verspannt. Entlasse deinen Vierbeiner aus der Arbeitshaltung immer wieder in eine Dehnungshaltung. Gib ihm außerdem regelmäßig die Möglichkeit sich entspannen zu können und mache Pausen im Schritt oder im Halten am hingegebenen Zügel. Dies ist weiterhin eine gute Möglichkeit dein Pferd für eine aktive Mitarbeit zu belohnen und fördert die Motivation.
Achtung:
Bei einer korrekten Dehnungshaltung sollte sich die Pferdenase auf Buggelenkshöhe befinden und sich der Hals nach vorne strecken, nicht nach unten Richtung Boden!
Übergänge und Seitengänge
Es gibt einige Möglichkeiten, einen schwachen Pferderücken nach und nach wieder zu verbessern. Das Reiten von vielen Übergängen in den Gangarten, aber auch Variationen im Tempo, können den Rücken des Vierbeiners lockern und mehr zum Schwingen bringen. Achte dabei stets darauf, dass dein Pferd sich im Takt bewegt und nicht zu eilig wird, damit es nicht aus dem Gleichgewicht kommt. Auch Seitengänge sind perfekte Hilfsmittel, denn bei jedem Seitengang wird eine Körperhälfte gedehnt und die Bauchmuskeln der anderen Seite müssen arbeiten. Dein Pferd tritt entweder unter den Schwerpunkt (beim Schulterherein, Travers, Renvers oder in den Traversalen), was eine gymnastizierende Wirkung hat, oder am Schwerpunkt vorbei (beim Schenkelweichen), was eine lösende Wirkung hat.
Achtung:
Jeder Seitengang ist nur hilfreich, wenn dein Pferd ihn auch korrekt ausführt! Halte die Reprisen deshalb zunächst relativ kurz! Gerade Pferden mit Rückenproblemen strengt es unheimlich an, sich länger in einem Seitengang zu bewegen!
Weitere Trainingsmöglichkeiten
Auch das Rückwärtsrichten ist eine prima Möglichkeit, um einen schwachen Pferderücken zu stärken, denn bei korrekter Ausführung muss dein Pferd den Rücken aufwölben und das Becken abkippen. Achte hierbei stets auf eine mittlere Kopf- Hals- Position. Ist der Kopf zu hoch oder zu tief, hängt der Rücken. Außerdem sollte dein Vierbeiner beim Rückwärtsrichten im Körper gerade bleiben, die Fußfolge diagonal sein, nicht zu eilig werden, seine Hufe anheben und auf keinen Falls rückwärts „kriechen“. Hast du die Gelegenheit dein Pferd am Hang rückwärts treten zu lassen, nutze sie gerne, denn diese Variante verstärkt den Trainingseffekt noch mehr. Auch Stangenarbeit und Springgymnastik können den Pferderücken lockerer machen und Verspannungen lösen.
Tipp:
Hast du die Chance mit deinem Pferd in den Wald oder an den Strand zu gehen? Dann nutze diese Möglichkeit unbedingt! Lass deinen Vierbeiner bergauf und bergab klettern, über kleine Baumstämme steigen und im flachen Wasser waten. Ein besseres Bauchmuskeltraining kann es kaum geben und der Spaß kommt auch nicht zu kurz!
Los geht´s!
Ein schwacher Pferderücken bedeutet nicht automatisch das Ende einer Reitpferdekarriere. Sind alle Störfaktoren beseitigt, kannst du mit einem individuell angepassten und durchdachten Training noch jede Menge verbessern und den Rücken nach und nach wieder stärken!
Blog-Beitrag von Andrea Blochwitz
Fotos von Canva und Stefanie Blochwitz