Leider ist das Thema Angst in Reiterkreisen oftmals immer noch ein Tabuthema. Den meisten „Betroffenen“ ist es unangenehm und peinlich, denn nicht gerade selten werden sie belächelt und nicht ernst genommen. Viele wissen nicht, wie sie dieses Problem alleine bewältigen sollen, scheuen sich aber trotzdem Hilfe und Unterstützung zu suchen. Doch nur, wer sich seine Angst eingesteht, wird auch daran arbeiten können. Wir haben ein paar Tipps und Idee, wie man aus diesem Teufelskreis wieder herauskommen kann.
Die vier Ebenen
Angst kann sich auf vier Ebenen beim Menschen äußern: die körperliche, die emotionale, die kognitive und die Verhaltensebene. Bei der körperlichen Ebene wird unser Körper in Alarmbereitschaft gesetzt, Symptome hierfür sind z.B. Herzklopfen, Zittern oder Schweißausbrüche. Bei der emotionalen Ebene kommen, neben der Angst, noch weitere Emotionen, wie Nervosität, Überforderung und Hilflosigkeit dazu. Auf der kognitiven Ebene wird sich gedanklich mit der Angst befasst, oft entsteht zusätzlich eine Erwartungsangst. Im Kopf werden wahre „Worst-Case-Szenarien“ ausgemalt, die meistens nicht den Tatsachen entsprechen, sondern durch die Angst selbst wachsen. Auf der Verhaltensebene führt Angst in der Regel dazu, dass bestimmte Situationen vermieden werden.
Wichtig:
Angst ist ein Gefühlszustand und eigentlich gar nicht so schlimm, wie viele denken. Grundsätzlich schützt sie uns vor Gefahren und risikoreichen Aktionen, kann also unser Überleben sichern. Gerade beim Reiten ist ein gewisser Sicherheitsaspekt nicht außer Acht zu lassen!
Wie entsteht Angst beim Reiten?
Wer von uns kennt das nicht- als Kind war kein Pony zu wild. Stieg oder bockte es, wurde darüber gelacht und wer runterfiel, klopfte sich den Dreck ab, stieg wieder auf und ritt einfach weiter. Das ändert sich bei den meisten Reiter:innen, wenn man älter wird. Die Risikobereitschaft wird deutlich weniger und es werden sich viele Gedanken gemacht, was passiert, wenn man runterfällt, wie schwer man sich verletzen oder wie lange man im Job ausfallen könnte. Die Reiter:innen, die einen üblen Unfall mit ihrem Pferd hatten, in einer gefährlichen Situation mit ihrem Vierbeiner waren oder schlechte Erfahrungen gesammelt haben, fühlen sich schnell hilflos und sind gefangen im Angststrudel.
Wichtig:
Nicht immer können Reiter:innen sich erklären, wieso sie auf einmal Angst beim Reiten haben. Auch ohne schwere Unfälle oder einschneidende Erlebnisse ist trotzdem bei einigen Reiter:innen von den einen auf den anderen Tag Angst da und man sollte genauso gewissenhaft damit umgehen!
Wenn Pferd und Reiter:in Angst haben
Da Pferde von Natur aus Flucht- und Beutetiere sind, nehmen sie schnelle Bewegungen in der Ferne oder am Boden besonders gut wahr. Wovor Pferde sich gruseln ist ganz unterschiedlich und es gibt eine unglaubliche Bandbreite an Dingen und Situationen: von Geräuschen, Wind, Kühen, LKWs, Radfahrern bis hin zu Plastiktüten. Um dein Pferd besser einzuschätzen und zu verstehen, macht es Sinn zu beobachten, was dein Pferd in Alarmbereitschaft versetzt. Dem/der Reiter:in hilft zwar der logische Menschenverstand, dass eine Plastiktüte am Straßenrand keine Bedrohung darstellt, jedoch bleibt bei vielen die Angst vor der Reaktion des Pferdes auf die Plastiktüte. Da Pferde sehr feine Sensoren haben, spüren sie natürlich sofort, wenn der/die Reiter:in sich anspannt und Angst bekommt. Schnell entsteht so ein Teufelskreis!
Tipp:
Packe dein Pferd nicht ständig in Watte und schütze es vor Geräuschen oder stressigen Situationen. Setzte es immer wieder unterschiedlichen Reizen aus. Je mehr es im Alltag kennen lernt, umso seltener werden Dinge deinen Vierbeiner aus der Fassung bringen!
Sich der Angst stellen
Ignoriert man die Angst beim Reiten, wird es leider mit der Zeit immer schlimmer werden und nicht besser. Sprüche wie: „Stell dich nicht so an!“ oder „Denk einfach nicht drüber nach!“ helfen den Betroffenen also nicht. Stattdessen ist der erste Schritt immer sich seiner Angst zu stellen und sie zu tolerieren. Es kann sogar helfen einen Dialog mit der Angst einzugehen, um heraus zu finden wieso sie da ist und wovor sie uns vielleicht auch schützen möchte.
Tipp:
Angst ist ein Gefühl und möchte wahrgenommen werden! Erkennst du sie an, hast du bereits den ersten wichtigen Schritt gemacht!
Kontrollverlust
Viele Reiter/innen haben Angst vor Kontrollverlust und dessen Folgen beim Reiten. Eine solide Basis und gute Kommunikation können helfen, dass Pferd und Reiter/in sich gegenseitig vertrauen und gemeinsam durch Dick und Dünn gehen. Nimm dir die Zeit, um Schritt für Schritt eine gute Beziehung mit deinem Pferd zu erarbeiten. Lass dich von kleinen Rückschritten nicht entmutigen und freue dich über geringe Erfolge. Für Pferde ist Sicherheit das Wichtigste, kannst du deinem Pferd diese Sicherheit nicht geben, übernimmt es schnell das Kommando. Viele Pferde haben dann das Bedürfnis auf seinen/seine Reiter/in aufzupassen, jedoch solltest du immer der/die „Spielemacher/in“ bleiben und in der Arbeit mit dem Vierbeiner auch sein/seine Beschützer/in.
Tipp:
Gelassenheitstraining und Trail Hindernisse, wie die Plane, Brücke, Luftballongasse oder Regenschirme sind wunderbar geeignet, um dein Pferd mutiger zu machen!
Atmung
Pferde sind auch was die Atmung angeht hoch sensibel und versuchen sich in der Regel an den Atemrhythmus des Menschen anzupassen. Wenn du Angst hast beschleunigt sich dein Atem oder du hältst die Luft an. Ein eindeutiges Alarmzeichen für dein Pferd, dass Gefahr droht. Bestimmte Atemtechniken und -übungen können Mensch und Tier helfen zu entspannen. So kannst du zum Beispiel deinen Atemrhythmus zählen, in dem du ein und ausatmest. Verlängerst du die Zeiten, kann sich das beruhigend auf dein Pferd auswirken.
Tipp:
Im Yoga arbeitet man viel mit der sogenannten Wechselatmung. Diese ist relativ leicht zu erlernen und du kannst sie auch zwischendurch üben, zum Beispiel schon im Auto, wenn du zu deinem Pferd fährst. Sie hilft dich zu entspannen und zu erden!
Innere Bilder
Der Einsatz von Inneren Bildern beim Reiten klingt im ersten Moment etwas nach „Hokus Pokus“, hat sich in der Praxis aber bewährt und funktioniert großartig, wenn du lernst sie richtig einzusetzen. So kann es dir zum Beispiel helfen, in Angstsituationen dir vorzustellen mit deinem Pferd unter einer Käseglocke zu sein, unter der ihr völlig geschützt und sicher vor äußeren Einflüssen seid. Hast du dieses Innere Bild für dich fest verankert, kannst du auch in Stresssituationen darauf zurückgreifen und es nutzen.
Tipp:
Fokussiere und suche auf keinen Fall Dinge, vor denen dein Pferd sich erschrecken oder Angst haben könnte, sondern versuche sie bewusst nicht unter eure Käseglocke zu lassen!
Kopfkino
In vielen Reiterköpfen spielen sich wahre „Worst Case Szenarien“ ab, die jedoch selten der Realität entsprechen und die Angst leider nur noch verstärken. Hier kann es helfen die gefürchtete Situation zu entschleunigen, indem man sich gedanklich ganz klar die schlimmste (z.B. Dein Pferd erschrickt sich vor einem Gegenstand, du fällt runter und brichst dir etwas.), die beste (Dein Pferd geht völlig gelassen an den Gegenstand vorbei und es interessiert sich gar nicht dafür.) und die realistischste Situation (Dein Pferd nimmt den Gegenstand war, verspannt sich etwas, bleibt aber ansprechbar und du schaffst es vorbei zu reiten) vorstellt.
Tipp:
Mit Hilfe von diesen Gedankenspielen kannst du mit der Zeit in Angstsituationen angemessener reagieren und besser damit umgehen!
Reden hilft
Selbstgespräche sind in der Regel eher unbeliebt, können in Angstsituationen aber helfen diese besser zu meistern. Auch klar auszusprechen, wovor man Angst hat, kann hilfreich sein damit du dich nicht mehr so machtlos fühlst. Außerdem musst du beim Reden immer wieder ausatmen und bewegst deine Gesichtsmuskulatur, was ganz nebenbei nützlich sein kann um dich zu entspannen. Manche Reiter/innen singen oder summen auch, wenn sie Angst bekommen- probiere einfach aus was dir hilft!
Tipp:
Beziehe dein Pferd ruhig mit ein in deine „Gespräche“. Ein ruhiges, monotones Sprechen wird euch beide beruhigen!
Lach doch mal
Man kann Ängsten durchaus auch mit etwas Humor begegnen und so etwas mehr Leichtigkeit in die „Gefahrensituation“ bringen. Vielleicht hattest du mit deinem Pferd auch schon Erlebnisse, die ein bisschen lächerlich waren, z.B. wenn es sich urplötzlich vor seinem eigenen Schatten erschrickt. Oder aber es reagiert gar nicht so, wie du es erwartet hast und du musst vor Erleichterung laut loslachen. Lachen hilft immer Spannungen zu lösen- also nur Mut!
Fazit
Du siehst es gibt also einige Tipps und Ideen, wie du dich deinen Ängsten beim Reiten stellen kannst. Wenn du alleine nicht weiterkommst, ist es keine Schande sich Hilfe von Trainern, Coaches oder Therapeuten zu suchen. Hier solltest du dich immer ernst genommen fühlen und ihr solltet gemeinsam nach geeigneten Hilfsmitteln für dich suchen. Hab keine Angst vor kleinen Rückschlägen, die gehören dazu. Und sei dir sicher, du bist nicht die Einzige, die Angst beim Reiten hat, es geht ganz Vielen ganz ähnlich und es gehört so viel Mut dazu diesen ersten Schritt zu machen!
Blog-Beitrag von Andrea Blochwitz